Eine Institution im Bezirk und in Berlin ist das Griechische Kulturzentrum in der Steglitzer Mittelstraße. 1975 wurde es als Treffpunkt für Griechisch sprechende Familien und Freunde der griechischen Kultur gegründet, seit 1992 ist die Hellenische Gemeinde zu Berlin die Trägerin des Kulturzentrums. Doch nun wurde der Gemeinde und damit auch dem Kulturzentrum gekündigt: Der Hauseigentümer will das Grundstück verkaufen. Panagiotis Matlis (59), der Vorstandsvorsitzende der Hellenischen Gemeinde, klärt im Interview über die Hintergründe auf.
Herr Matlis, seit 32 Jahren gibt es das griechische Kulturzentrum in der Mittelstraße. Warum ist es jetzt bedroht?
Weil unser Standort bedroht ist. Und dieser Standort, nach all diesen Jahren, ist für uns ein tragendes Identitätselement geworden. Die Bindung der Berliner griechischen Diaspora mit dieser Stadt, diesem Bezirk, mit diesem Kiez, mit diesem Gebäude ist buchstäblich organisch. Der Versuch, das Kulturzentrum woandershin zu verlegen, wäre mit einer Amputation zu vergleichen. Eine Amputation unserer Vergangenheit, unserer Entstehungsgeschichte, unserer Wurzeln und somit unserer „Seele“.
Was hat denn der Grundstückseigentümer vor?
Er will das Grundstück an Investoren verkaufen, die das Objekt „entwickeln“ werden. Einige der potenziellen Käufer, die wir während ihrer Besichtigungen kennengelernt haben, haben uns ihre Investmentvision skizziert – und diese beinhaltete Eigentumswohnungen der höchsten Luxusklasse.
Welche Versuche haben Sie unternommen, den Eigentümer umzustimmen?
Für Umstimmungsaktivitäten war bis vor kurzem keine Zeit. Die zwei Kündigungen, erst zum 31. Dezember 2022 und danach zum 31. Dezember 2023, haben uns überrascht und uns darauf begrenzt zu reagieren, auf vielen Wegen, auch juristisch. Agieren, also eigene Initiativen ergreifen, konnten wir erst in den letzten Wochen. Und das haben wir getan.
Könnte die Gemeinde nicht einfach Gelände und Haus kaufen?
Die Finanzkraft hierzu können wir allein nicht entwickeln. Der zuletzt genannte Verkaufspreis, selbst wenn man ihn als Verhandlungsbasis versteht, bewegt sich knapp unterhalb von drei Millionen Euro.
Am vergangenen Sonntag hatten Sie Politikerinnen und Politiker zur Diskussion in das Kulturzentrum geladen. Was wurde Ihnen versprochen, was hat die Veranstaltung gebracht?
Sowohl die fünf Podiumsteilnehmer als auch die weiteren Parteienvertreter, die unserer Einladung gefolgt sind, haben sich der Öffentlichkeit mit einem ausgesprochenen Macherprofil präsentiert. Man will helfen. Schon dieser Aspekt erlaubt uns einen verhaltenen Optimismus. Die besprochenen Lösungsvorstellungen waren ausnahmslos realistisch und tragfähig.
Zum Beispiel, wie könnte eine realistische Lösung aussehen?
Im ersten Schritt kauft die öffentliche Hand die Immobilie. Schritt zwei wäre, dass griechische Ingenieure, Architekten, Juristen und Bauunternehmer die Renovierung und Modernisierung der Immobilie übernehmen und sie für einen Bruchteil der üblichen Kosten durchführen. Damit würde sich der Verkehrswert der Immobilie quasi „über Nacht“ für die Stadt verdoppeln. Danach darf das Griechische Kulturzentrum – und das wäre Schritt drei – diesen Standort weiterhin benutzen und verwalten. Wir wollen selbst der Hausherr sein, und kein Untermieter von einem anderen Träger.
Sie sehen jetzt also das Land in der Pflicht…
Wen wir „in der Pflicht sehen“ ist seit Sonntag sekundär. Unsere Gäste haben uns gezeigt, dass Berlin jetzt sich selbst in der Verantwortung sieht. Ob auf der Ebene des Landes oder des Bezirkes, das wird sich noch zeigen.
Wie viele Mitglieder hat die Hellenische Gemeinde zu Berlin?
Das Mitgliederregister zeigt über 5000 Mitglieder. Besucher, im weitesten Sinne des Wortes, dürften über 6000 sein.
Soviel ich weiß, ist das Kulturzentrum ein Treffpunkt von vielen Menschen im Bezirk, egal ob sie Griechen sind oder einer anderen Nationalität angehören.
Gäste haben wir aus ganz Berlin. Die Nähe der U- und S-Bahnstation „Rathaus Steglitz“ begünstigt uns dabei im enormen Ausmaß. Bei gesellschaftlichen Anlässen und bei kirchlichen und nationalen Feierlichkeiten kommen Familien und griechische Regionalvereine zu uns. Bürger aus ganz Berlin und allen Ortsteilen des Bezirks kommen zu uns bei kulturellen Veranstaltungen. Ein harter Kern von Philhellenen, also Menschen, die sich mit Griechenland verbunden fühlen, kommt sogar regelmäßig zu uns. Und zwar unabhängig vom jeweiligen Wohnort, der manchmal in Sachsen oder sogar in Mecklenburg-Vorpommern ist. Unsere Beratungsdienste beanspruchen griechischsprachige Bulgaren, Serben, Albaner, Menschen aus Asien und viele mehr, die längere Zeit in Griechenland gearbeitet haben.
Auch Parteien treffen sich in Ihren Räumen, das Willkommensbündnis tagt hier, 15 griechische Vereine sind bei Ihnen angesiedelt, vom Fußballclub bis zur Studierendenorganisation. Wie fallen bei diesen Gruppen die Reaktionen auf die Kündigung Ihres Vermieters aus?
Verdrängung, Verunsicherung, Enttäuschung, Traurigkeit, Wut, Tatendrang. In dieser Reihenfolge. Seit letztem Sonntag auch Hoffnung.
Herr Matlis, was gibt Ihnen Kraft?
Meine Kraft ist Teil einer kollektiven Kraft: der Kraft unseres Vorstandes. Vor drei Wochen wurden wir mit einem unerwartet guten Stimmanteil von circa 63 Prozent wiedergewählt. Das motiviert, verpflichtet und macht zuversichtlich.
Angenommen, es wäre bereits der 31. Dezember: Sehen Sie sich beim Kistenpacken oder bleibt die Hellenische Gemeinde eine Steglitzerin und Sie feiern fröhlich und in großer Runde in die kommenden 30 Jahre am Standort Mittelstraße hinein?
Option zwei ist mit Abstand wahrscheinlicher. Wir sind zuversichtlich, weil wir nicht alleine sind.